Seit vielen Jahren finanziert die ÖGP gemeinsam mit Vivisol durch ihren PATIENT CHARITY CARE AWARD wichtige Anschaffungen oder Dienstleistungen von Patient*innen mit Langzeitbeatmung. Dieses Jahr kommt die Förderung Eva Nussdorfer zu, die von chronisch progressiver Muskeldystrophie betroffen ist und vom Pneumologie-Team der SALK betreut wird. Trotz ihrer Krankheit strotzt sie nur so vor Lebensfreude. Das konnten auch die Besucher*innen des ÖGP OGTC Gesellschaftsabends im September in Wien sofort erkennen, als sie ihr bei einer Kostprobe ihres Könnens im Rollstuhltanzen zusehen durften.

JA zum Leben sagen

„Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ So schrieb es Nietzsche, ein Verzweifelter unter Philosophen. Doch später wurde dieser Satz zum Lebensmotto des Viktor Frankl, eines unverzagten Bergsteigers und Psychologen, der damit seinem Schicksal im KZ trotzte.

Mit diesem leidenschaftlichen JA zum Leben meistert nun auch unsere Patientin freudig und entschlossen die Hürden des Alltags und die Herausforderungen des hohen Spitzensports. Der TANZ ist ihr Leben. Ein Rollstuhl und ein Beatmungsgerät sind ihre Begleiter seit vielen Jahren und gehören zum Alltag, Training und Wettkampf dazu.
Mit sechs Jahren wurde bei Eva ein Myelosarkom des linken Unterschenkels diagnostiziert. Sie besiegte den Krebs, doch wenig später manifestierte sich eine progressive Muskeldystrophie, die schnell zur Rollstuhlpflichtigkeit und seit 2014 zur Beatmungspflichtigkeit führte. Mittlerweile kann Eva nur noch ihre Finger bewegen.

Wenn man im Rollstuhl sitzt und immer mehr an Bewegungsfreiheit verliert, wird die Welt immer kleiner, engt sich ein zwischen den vier Wänden der eigenen Wohnung, spannt sich auf zwischen Mühsal des Alltags und Warten auf den nächsten Arzttermin. In diesem Bedrängnis kreisen die Gedanken. Wo ist noch die Freiheit? Wo ist der Sinn meines Lebens? Wofür noch überhaupt? Man sucht nach etwas, was man tun und lieben kann, wofür man brennen darf.
Am wenigsten denkt dabei ein Rollstuhlfahrer doch an den Sport! Eva suchte aber und fand im Internet einen Artikel über das Rollstuhltanzen. Sie staunte, fasste Mut und wagte den Versuch. Sie schrieb den ansässigen Verein in Salzburg an und wurde eingeladen. Als sie den Raum betrat, sah sie ihre heutige Freundin und Mannschaftskollegin Sanja Vukasinovic (3-fache Vize-Europameisterin und Europameisterin Single Freestyle) mit ihrem Rollstuhl und war sofort fasziniert. Es wurde Liebe auf den ersten Blick, der Tanz eroberte ihr Herz und ihr Leben.

Von Hobby- zur Profitänzerin

Ihr Trainer erzählt, dass man über den Einsatz eines E-Rolli erst nachdenken musste. Der Verein hatte bis dahin noch keine Erfahrung mit dieser Tanzdisziplin, es gab nur Athleten in der Klasse der „Aktivrollstühle“. Aber der Ehrgeiz und Wille der jungen Sportlerin haben die Betreuer und Mannschaftskolleg*innen schnell überzeugt. Das Team war bereit neue Wege mit und für die liebenswerte neue Kollegin zu gehen. Ein Hobby „just for fun“ kam für sie nicht in Frage – Eva wollte groß raus, in die Nationalmannschaft, auf die große Bühne, zur WM und zu Paralympics.

Das Leben eines Sportlers mit Handicap unterscheidet sich nicht viel vom Alltag jedes anderen Spitzensportlers. Die Tagesabläufe sind dem Training untergeordnet, das Training dem Wettkampfkalender. Gleichzeitig muss Eva ihren Alltag mit maschineller Beatmung meistern. Ihre medizinischen Betreuer*innen kennen sie als eine sehr gewissenhafte Patientin mit ausgezeichneter Compliance und positiver Einstellung zur Therapie.
Mit eiserner Disziplin, einer musischen Begabung, künstlerischem Geschmack und viel Leidenschaft tanzte sich Eva in wenigen Jahren an die Spitze. Sie gewann Medaillen und hohe Platzierungen bei internationalen Wettkämpfen, erst in der Klasse „Paartanz“, dann als Solotänzerin. Ihr nächstes großes Ziel sind die Paralympics.

Die Turnierreisen werden vom Behindertensportverband und dem heimischen Verein organisiert. Ihre Mutter begleitet sie auf allen Reisen und leistet einen großen Beitrag als ihre organisatorische Unterstützerin und natürlich ihr begeisterter Fan. Ohne ihre Hilfe wäre die Wettkampfteilnahme nicht möglich.
Einfach ist es nie. Man steht vor Treppen und Gehsteigkanten, vor engen Türen und Aufzügen, groben Schotterwegen und steilen Anstiegen. Man kommt nicht in jedem Hotel in die Dusche, nicht in jedes Lokal, nicht in jeden Zug, nicht zum Strand, nicht auf eine schöne Aussichtsplattform in der fremden Stadt… Wohin man auch reist, die Behinderung fährt mit.

Bloß auf der Bühne spielt die Krankheit keine Rolle mehr. Im Wettkampf ist Eva frei! Dort ist sie keine „beatmete Patientin“, sondern Athletin und Künstlerin, die nur der Musik und ihrer Intuition folgt und in eine eigene glückliche Welt eintaucht. Sie lässt alles hinter den Kulissen stehen, – die Zukunftsängste und Schmerzen, die kleinen Demütigungen des Alltags in einer Welt, die so wenig Rücksicht auf die Rollstuhlfahrer nimmt, die Müdigkeit, das Lampenfieber… Alles verschwindet im gleißenden Rampenlicht, man steht allein und frei und hat das Publikum vor sich. Nur wer selbst auf der Bühne stand, kann es begreifen, wie viel Glück und Kraft dieses Publikum geben kann, wie einen der Applaus trägt, wie viel man bereit ist, dafür zu geben.

Leider hat der Leistungssport auch eine Schattenseite. Die staatliche Finanzierung der Behindertenverbände ist dürftig, auch die privaten Sponsoren lassen sich lieber von Mainstream Sportarten begeistern. Im Tanzsport werden die Wettkampfkleider zu einer finanziellen Herausforderung. Das Outfit wird mitbewertet und man braucht für jeden Auftritt ein neues Kostüm. Eva liebt ihre Roben, die sie sogfältig zur ausgewählten Musik anpassen läßt, sie sind ein Teil des Gesamtkunststücks TANZ.

Das Preisgeld der ÖGP ist eine große Unterstützung für ihre weitere Wettkampflaufbahn.

Wir lassen die Bilder sprechen.  Lasst euch von ihrer Freude und Schönheit anstecken!

Tango (Link zu Youtube)

Rumba (Link zu Youtube)

Zeitungsbericht über Evas Erfolge bei den Para Dance Sport Polish Open