„Lunge im Wandel“ lautet das Motto der diesjährigen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, ÖGP, von 26. bis 28. September in der Hofburg in Wien. Denn ein Wandel findet auf verschiedenen Ebenen statt und stellt das Gesundheitssystem im Allgemeinen und die Lungenfachärzt*innen im Besonderen vor zahlreiche Herausforderungen. So führt der Wandel in der Altersstruktur der Bevölkerung zu einem vermehrten Auftreten altersassoziierter Lungenerkrankungen. Und auch der Klimawandel hat massive Auswirkungen auf unsere Atmungsorgane und die Lungengesundheit.
Aber auch im positiven Sinn findet Wandel statt: So bieten neue Erkenntnisse im Hinblick auf Diagnose und Therapie von Lungenkrankheiten die Möglichkeit, Behandlungsstrategien immer präziser individuell auf die jeweilige Person und ihre Erkrankung abzustimmen – mit großem Benefit für Lebensqualität und Therapie-Outcome. Früherkennung spielt in diesem Zusammenhang eine zunehmend wichtige Rolle.
Die Chancen und Herausforderungen, die dieser vielfältige Wandel verursacht, stehen im Fokus der 48. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, die bereits zum 8. Mal gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (OGTC) abgehalten wird.
Im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien stellte ÖGP- und Kongresspräsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht den Kongress im Überblick vor und betonte im Hinblick auf die bevorstehenden Veränderungen die Wichtigkeit der Etablierung eines umfassenden Lungenvorsorgeprogramms.
Veränderungen durch demografischen Wandel – Zahl altersassoziierter Lungenerkrankungen steigt an
Wir erleben einen demografischen Wandel: Der Anteil älterer Menschen in unserer Bevölkerung steigt ständig. Dadurch kommt es auch zu einem deutlichen Zuwachs mit dem Alter verbundener Lungenerkrankungen wie beispielsweise COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), an der bereits jetzt rund zehn Prozent der Erwachsenen in Österreich leiden.
Aber auch andere Erkrankungen der Lunge sind stark altersassoziiert: Bei Lungenembolien, Lungenentzündungen und Lungenkrebs ist gegenwärtig ebenfalls ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.
Veränderungen durch Klimawandel – Anstieg von Allergien und Asthma
„Auch der Klimawandel bleibt nicht ohne Auswirkungen auf unsere Atmungsorgane und die Lungengesundheit“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht, Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie am Kepler Universitätsklinikum in Linz.
Lange Warmwetterperioden führen zu verlängerten Vegetationsperioden. Dadurch dauert die Pollensaison länger, Allergiker haben immer kürzere Erholungspausen. Höherer Durchschnittstemperaturen ermöglichen es nicht-heimischen, mitunter hoch-allergenen Pflanzen, sich bei uns ansiedeln und auszubreiten, was ebenfalls eine zunehmende Belastung für Allergiker bedeutet. Zurzeit leiden rund sechs Prozent der Bevölkerung an Asthma. Diese Zahl wird ansteigen und auch ein vermehrtes Auftreten von schwerem Asthma ist zu erwarten.
Darüber hinaus belasten extrem hohe Temperaturen und lange Hitzeperioden Menschen mit einer Lungenerkrankung besonders stark. Studien zufolge nimmt beispielsweise bei Hitze die Lungenfunktion von Menschen mit Asthma ab, die Asthma-Symptome bei Kindern nehmen zu, und bei COPD werden Exazerbationen – also akute und dramatische Verschlechterungen der Erkrankung – bei Hitze ebenfalls häufiger.
Regnet es über einen längeren Zeitraum nicht, bleiben auch mehr Schadstoffe wie Feinstaub und Allergene, die der Lungengesundheit abträglich sind, in der Atem-Luft.
Lamprecht stellte fest: „All dies sind Herausforderungen, denen wir Lungenfachärzt*innen begegnen müssen. Unser Fokus wird daher in Zukunft auch noch mehr auf Prävention und Früherkennung gerichtet sein müssen.“
Wandel durch Wissenschaft und Forschung
Das Motto „Lunge im Wandel“ stehe aber auch für den höchst positiven Wandel in Diagnostik und Therapie, der aufgrund eines enormen Erkenntniszuwachses möglich geworden ist, so der ÖGP-Präsident.
„Die intensiven Forschungsaktivitäten der vergangenen Jahre habe Früchte getragen und uns unzählige neue oder verbesserte Behandlungsoptionen eröffnet. Dies bietet uns die Möglichkeit, beispielsweise bei COPD, bei schwerem Asthma und vor allem auch bei Lungenkrebs die Behandlungsstrategien immer präziser individuell auf die jeweilige Person und ihre Erkrankung abzustimmen.“
Wandel in der Früherkennung notwendig
Lamprecht erklärte: „Lungenkrebs ist bei beiden Geschlechtern jeweils die zweithäufigste Krebsneuerkrankung. Von allen Krebsarten hat Lungenkrebs den höchsten Anteil an Todesfällen. Bei Männern sind es 21% aller Krebstoten, bei Frauen steht der Lungenkrebs mit 18% mittlerweile knapp vor dem Brustkrebs mit 16% ebenfalls an erster Stelle[1]. Aber warum ist das so? Die Behandlung von Lungenkrebs wird doch immer ausgereifter, maßgeschneiderter, zielgerichteter, nebenwirkungsärmer und wirkungsvoller. Unser medikamentöses Arsenal und das Wissen um gezielte Einsatzmöglichkeiten und Therapiekombinationen haben sich enorm vergrößert. Operative Verfahren und Strahlentherapie werden laufend verbessert und verfeinert. Dennoch haben wir weiterhin ein entscheidendes Problem: Es gibt keine verlässlichen Frühsymptome, die Lunge schmerzt nicht, Husten ist ein unspezifisches Symptom. So wird die Erkrankung meist erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium entdeckt, wenn die Behandlungsoptionen nur mehr sehr eingeschränkt sind[2].“
Frühe Diagnose – gute Prognose
„Wir werden also nicht umhinkommen, ein Früherkennungsprogramm wie bei Brust- oder Prostatakrebs auch für Lungenkrebs zu etablieren. Durch den Einsatz eines wohldurchdachten Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms kann der Diagnosezeitpunkt deutlich nach vorne verlagert werden und wir können wesentlich früher therapeutisch intervenieren“, erläuterte Lamprecht. Dass solche Früherkennungsprogramme die Sterberaten effektiv senken, belegen internationale Daten[3]. „Mittels regelmäßig durchgeführter Low-Dose-Computertomographie-Untersuchungen wird Lungenkrebs wesentlich häufiger schon in frühen Erkrankungsstadien entdeckt, die Sterblichkeit bei Risikogruppen konnte so in einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren um bis zu 20% gesenkt werden, bei Frauen sogar um 40-60%“, betonte Lamprecht.
Lungenkrebs-Screening als Impulsgeber für umfassendes Lungengesundheitsvorsorgeprogramm
Aufgrund der anfangs genannten zahlreichen Herausforderungen will ÖGP-Präsident Lamprecht so ein Programm viel weiter und umfassender aufgestellt sehen als ein „reines Lungenkrebs-Screening. Denn im Zuge eines Lungenkrebs-Screenings können auch andere ernste, noch symptomlose Lungenerkrankungen quasi als Nebenbefunde identifiziert werden. Das ist eine Chance, die wir unbedingt nützen sollten, mit einem Screening die Lungengesundheit in Österreich gleich im Hinblick auf mehrere Erkrankungen zu verbessern. Darüber hinaus müssen auch Bemühungen zur Verbesserung der Prävention, zu der in erster Linie ein Rauchstopp gehört, intensiviert werden.“
Lamprecht fasste zusammen: „Es ist erklärtes Ziel der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, im interdisziplinären Diskurs einen Masterplan für ein umfassendes Vorsorge- und Früherkennungsprogramm zur Verbesserung der Lungengesundheit in Österreich zu entwickeln und etablieren.“
Die 48. Jahrestagung der ÖGP
Das wie immer interdisziplinär und interprofessionell ausgelegte Kongressprogramm beleuchtet das Motto Lunge im Wandel in diversen Sitzungen aus verschiedenen Blickwinkeln. Der Bogen spannt sich dabei von Allergien im Wandel der Zeit, über Asthma-Therapie: eine Zeitreise, Gendermedizin im Wandel, Wandel in der personengerichteten Medizin bis hin zu Zystische Fibrose im Wandel der Zeit. „Wir bereiten uns auf die Herausforderung, dass aufgrund von Bevölkerungsentwicklung und Umwelteinflüssen immer mehr Menschen an Lungenerkrankungen leiden werden, bestmöglich vor“, bekräftigte Lamprecht.
Daneben werden aktuelle Themen aus dem großen Spektrum der Pneumologie und Thoraxchirurgie in bis zu fünf Parallelsitzungen aufbereitet und bearbeitet. Hands-on-Kurse, Posterpräsentationen, Fall-Präsentationen, die Präsentation neuer Leitlinien und interdisziplinäre Workshops ergänzen das Programm.
Lamprecht abschließend: „Der Kongress in der Wiener Hofburg gibt den Rahmen für einen intensiven fächer- und berufsübergreifenden Erfahrungsaustausch über das breite Themenspektrum der Pneumologie. Wir freuen uns, dass auch heuer wieder nationale und internationale Expertinnen und Experten der Pneumologie, der Thoraxchirurgie, der Atemphysiotherapie und der Pflege gemeinsam mit weiteren Fachdisziplinen neueste Ergebnisse und Entwicklungen präsentieren und diskutieren werden.
Mein Dank gilt den Kongresssekretären, dem Programm-Organisationskomitee und allen, die uns so tatkräftig unterstützt haben und zum Gelingen unserer Tagung beitragen. Wir freuen uns über die zahlreichen Anmeldungen und dass auch immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen sowie Studierende an unserer Jahrestagung teilnehmen. Und ich möchte auch nochmals sehr herzlich alle interessierten Journalistinnen und Journalisten zu unserem Kongress in der Wiener Hofburg einladen.“
[1] https://www.krebshilfe.net/information/krebs-in-oesterreich/krebserkrankungen-in-oesterreich
[2] Nur ca. 20% der Lungenkarzinome in Österreich werden im Frühstadium entdeckt, rund 50% erst im letzten Krankheitsstadium. Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie kann die 5-Jahres-Überlebensrate rund 90% erreichen, bei späterem Erkennen wird die Prognose zunehmend ungünstiger.
[3] Z.B. Nederlands-Leuvens Longkanker Screenings Onderzoek, NELSON-Trial: H.J. de Koenig et al; Reduced Lung-Cancer Mortality with Volume CT Screening in a Randomized Trial; DOI:10.1056/NEJMoa1911793
Kontakt
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie
Dekan für Lehre und Studierende, Medizinische Fakultät, Johannes Kepler Universität
Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie
Kepler Universitätsklinikum
Med Campus III
Krankenhausstraße 9
4021 Linz
T +43 (0)5 7680 83 – 0