Mit der Jahrestagung der ÖGP beginnt witterungsbedingt auch wieder die „Hauptsaison“ der Lungenkrankheiten. Die Notaufnahmen füllen sich mit Patientinnen und Patienten mit Fieber, Husten und Atemnot. Insbesondere Personen mit einer vorgeschädigten Lunge müssen dann oft stationär aufgenommen werden und benötigen oftmals sogar intensivmedizinische Betreuung. Denn wenn im Herbst die verschiedenen Husten- und Schnupfenviren wieder ihr Unwesen treiben, bedeutet dies für Menschen mit einer chronischen Lungenerkrankung wie z.B. COPD eine ernste Gefahr. Denn ob Pneumokokken, RSV, Influenza, Covid oder „banaler grippaler Infekt“ – im Rahmen von Infekten entwickelt sich bei Personen mit bereits belasteter oder vorgeschädigter Lunge leicht eine sogenannte Exazerbation, d.h. die chronische Erkrankung verschlechtert sich akut dramatisch.
Im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich der 48. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, ÖGP, wies ÖGP-Vizepräsidentin Prim.a Dr.in Eveline Kink, MBA, auf diese gefährliche Problematik hin und zeigte Möglichkeiten und Wege auf, wie mit Hilfe von Prävention, Patient*innenschulung und Beatmung zu Hause der Wandel zu einer weniger invasiven, weniger technisierten pneumologischen Intensivmedizin unterstützt werden kann.
Exazerbationen – gefürchtete akute schwerwiegende Verschlechterung der Symptome einer chronischen Erkrankung
„Jede Exazerbationen einer chronischen Lungenerkrankung ist ein schwerwiegendes Ereignis. Es handelt sich dabei in erster Linie um eine plötzlich auftretende, deutliche Verschlechterung der Symptomatik der zugrunde liegenden Lungenerkrankung und muss meist stationär im Krankenhaus, oft auch auf einer Intensivstation, behandelt werden. Darüber hinaus kann eine Exazerbation die Grunderkrankung weiter verschlechtern, die Sterblichkeit erhöht sich“, erläuterte die Lungenfachärztin und Intensivmedizinerin Prim.a Kink.
Mehr als ein Drittel der Aufnahmen auf internistischen Intensivstationen erfolgt wegen einer respiratorischen Erkrankung. Nach Bluthochdruck ist die COPD die häufigste Begleiterkrankung von internistischen Intensivpatient*innen, wobei insbesondere die schlecht therapierte COPD den Intensivaufenthalt verlängert und eine im Zuge des Intensivaufenthaltes erforderliche Beatmung erschwert.
Intensivstation – oftmals mit langfristigen Nachwirkungen
„Diese Aufenthalte auf einer Intensivstation belasten nicht nur unser Gesundheitssystem, sondern in hohem Maße auch die betroffenen Patientinnen und Patienten und deren Angehörige. Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie psychische Belastungsreaktionen sind nach der Entlassung von der Intensivstation häufig“, verdeutlichte Kink, dass ein intensivmedizinischer Krankenhausaufenthalt oft lange Nachwirkungen hat.
Um solche Exazerbationen und in der Folge Intensivaufenthalte zum Wohle der Patient*innen möglichst zu vermeiden, aber auch um das Gesundheitssystem zu entlasten, spricht Kink von einem Paket an Maßnahmen, das die Problematik von verschiedenen Seiten her angeht.
Wege aus dem Dilemma
Baustein 1: Prävention & Früherkennung
„An erster Stelle sollte natürlich die Vermeidung schädigender Noxen wie das Rauchen, Hauptrisikofaktor für – neben Herz-Kreislauferkrankungen – z.B. COPD und Lungenkrebs, stehen. Es hat sich hier in den letzten Jahren schon viel getan, aber es braucht nach wie vor Aufklärung und vor allem Unterstützung derjenigen, die zu rauchen aufhören möchten. Hier bietet sich beispielsweise bereits im Frühstadium einer chronischen Lungenerkrankung ein Reha-Aufenthalt mit Rauchentwöhnungsprogramm in einem spezialisierten Zentrum an“, führte Kink aus.
Im Idealfall werden die Lungenerkrankungen in einem Frühstadium erkannt und therapiert. Das setzt aber auch voraus, dass die Menschen wissen, dass sie beispielsweise bei Husten, der länger als vier Wochen dauert, unbedingt eine*n Lungenfacharzt*ärztin aufsuchen sollten. Oder dass die AHA-Symptome – Auswurf, Husten, Atemnot – typischerweise die ersten Anzeichen einer COPD sind. „Das Symptom des chronischen Hustens muss immer ernst genommen und abgeklärt werden“, betonte Kink.
Und hier schließe sich auch wieder der Bogen zum von der ÖGP forcierten Lungengesundheitsfrüherkennungsprogramm, denn, so Kink: „Ein solches würde zur Früherkennung diverser gefährlicher Lungenerkrankungen neben Lungenkrebs beitragen und dafür sorgen, dass die Patientinnen und Patienten gleich auf den richtigen Behandlungspfad kommen.“
Baustein 2: Selfcare
Bei bestehenden – diagnostizierten und behandelten – chronischen Lungenerkrankungen können die Betroffenen im Sinne von Selfcare zur Vermeidung von schweren Exazerbationen beitragen.
„Dazu gehört ein gemeinsam mit den Ärzt*innen erstellter Therapieplan, der für die Patient*innen klar und verständlich aufzeigt, wie sie ihre Medikamente bei den ersten Anzeichen einer Exazerbation selbst steigern bzw. anpassen können, führte Kink aus.
Weiters betonte Kink, dass die in der Rehabilitation erlernten atemphysiotherapeutischen Techniken und das richtige und konsequente Inhalieren auch in der Akutphase wesentliche Therapiesäulen sind und daher regelmäßig geübt und nachgeschult werden sollten.
„Als klassische Prävention sind natürlich die Impfungen wesentlich, die zu deutlich milderen Krankheitsverläufen beitragen. Empfohlen für Personen mit chronischer Lungenerkrankung sind Impfungen gegen Covid-19, Grippe, Keuchhusten, Pneumokokken, RSV sowie insbesondere für Lungenkarzinompatient*innen auch Hämophilus influenzae.“
Baustein 3: Heimbeatmung
Sollte es trotz optimaler Vorsorge und medikamentöser Therapie gehäuft zu schweren Exazerbationen mit Intensivaufenthalten kommen, kann auch eine Beatmung über eine Maske für zu Hause von spezialisierten Lungenabteilungen verordnet werden.
Kink abschließend: „Bei COPD mit chronisch hyperkapnischem Atemversagen[1] konnte eine Forschergruppe aus Deutschland und Österreich unter der Leitung von Thomas Köhnlein 2014 zeigen, dass die nächtliche Maskenbeatmung zu Hause die Lebensqualität verbessern und die Sterblichkeit deutlich senken kann. Diese einfache und nachhaltige Maßnahme wirkt sich nicht nur für die Patient*innen positiv aus, sondern entlastet auch das Gesundheitssystem und das im Herbst und Winter besonders unter Druck stehende Personal der Intensivstationen.“
Resümee
So befindet sich auch die pneumologische Intensivmedizin bei chronischen Lungenerkrankungen im Wandel – im Wandel hin zu einer weniger invasiven, weniger technisierten Medizin, die auf die besonderen Bedürfnisse von chronisch Schwerstkranken eingeht, gemeinsam mit den Patient*innen Therapiepläne erarbeitet, um Wiederaufnahmen im Krankenhaus zu vermeiden und ein selbstbestimmtes Leben zu Hause ermöglichen.
[1] Hyperkapnisches Atemversagen – eine lebensbedrohliche Störung im Gasaustausch in der Lunge. Es kommt zu einer Kohlendioxid-Vergiftung bei gleichzeitigem Sauerstoffmangel im Blut.
Kontakt
Prim.a Dr.in Eveline Kink
Vize-Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie
Leiterin der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, LKH Graz II
Standort Enzenbach
Hörgas 30
8112 Gratwein-Straßengel
T +43 (0)3124 / 501 – 7002