Europaweit ist es um die Lungengesundheit schlecht bestellt – jede*r Zehnte leidet an einer Lungenerkrankung. Und das Leid, das Lungenerkrankungen verursachen können, ist groß. Entstehen sie doch oft schleichend über Jahre hinweg und manifestieren sich dann häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium.

Daher muss ein Wandel stattfinden hinsichtlich vermehrter Aufklärung und Bewusstseinsbildung, hinsichtlich der Etablierung strukturierter Vorsorgeuntersuchungen, hinsichtlich einheitlicher und klar definierter Patient*innenpfade im (Lungen-)Erkrankungsfall. Weiters muss das Selbstmanagement aufgewertet und forciert werden und Rehabilitationsmöglichkeiten müssen ausgebaut werden. Im Zuge der Jahrestagung der ÖGP werde es zu diesen Themen einen Austausch unter den Expert*innen geben. Dies führte ÖGP-Generalsekretärin Prim.a a.o. Univ.-Prof.in Dr.in Judith Löffler-Ragg im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich der 48. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, ÖGP, (26. bis 28. September, Wiener Hofburg) aus und stellte die diesbezüglichen Bestrebungen der ÖGP vor sowie eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene in Aussicht.

Österreichs Pneumolog*innen initiieren Wandel

„In Hinblick auf unsere morgen beginnende Jahrestagung und passend zum Weltlungentag, der heute begangen wird, möchte ich als Generalsekretärin der ÖGP unterstreichen, dass wir als pneumologische Fachgesellschaft Impulse setzen wollen, die die Krankheitslandschaft im Hinblick auf Lungenerkrankungen nachhaltig verändern sollen.“

Löffler-Ragg kennt als Leiterin der Abteilung für Pneumologie am LKH Hochzirl-Natters die Schicksale vieler Patient*innen mit schweren Lungenerkrankungen aus persönlicher Erfahrung. Die Krux sei, so die Lungenspezialistin, dass viele Lungenerkrankungen schleichend, oft über Jahre hinweg entstehen und sich dann häufig erst im fortgeschrittenen Stadium manifestieren.

„Als Leiterin einer Abteilung für Pneumologie bin ich vom Anblick des Leidens so vieler Menschen mit Lungenerkrankungen im Endstadium tief betroffen. Und ich möchte die nächsten 20 Jahre nicht weiterhin so viele Menschen mit fortgeschrittener COPD oder fortgeschrittenem Lungenkrebs sehen.“ 

Bewusstseinsbildung für „Umweltorgan Lunge“

Um dies nachhaltig zu ändern, bedürfe es zuerst einmal der Etablierung von Programmen und Projekten, die das Bewusstsein in der Bevölkerung für Lungenerkrankungen schärfen. „Wir müssen vermehrt über Risikofaktoren informieren. Die Lunge ist ein Umweltorgan, ist also Umwelteinflüssen unmittelbar ausgesetzt. Lungenkrankheiten, die mit dem Alter auftreten, sind als Summe der Expositionen, denen die Lunge das ganze Leben über ausgesetzt war, zu verstehen. Als eine Summe von Reparaturdefekten nach z.B. Infekten und Schadstoffbelastungen.“

Daher unterstützt die ÖGP die von der europäischen Kampagne „Healthy Lungs for Life“[1] propagierten fünf Punkte, die die Lungengesundheit erhalten bzw. verbessern sollen:
1. Nicht rauchen, 2. Impfen gegen Infekte, die die Lunge belasten 3. Auf ausreichende Bewegung achten, 4. Die Luftqualität verbessern, 5. Maßnahmen gegen den Klimawandel setzen.
Löffler-Ragg: „Vor allem die drei ersten dieser fünf Aspekte kann jede und jeder einzelne von uns selbst umsetzen.“

Raucheranteil in Österreich viel zu hoch

Dass Rauchen der Lunge schadet und Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs und COPD ist, ist hinlänglich bekannt. Dennoch: „Wir haben im Bereich Rauchen leider ein breit akzeptiertes Plateau erreicht, das seit Jahren unverändert ist: In Österreich rauchen 20% der Bevölkerung, womit wir im europäischen Vergleich sehr schlecht abschneiden.“

Aktuelle Daten untermauern beispielsweise, dass selbst Raucher*innen im medianen Alter von 39 Jahren, die in etwa über 16 Jahre eine Packung pro Tag geraucht haben und noch eine normale Lungenfunktion zeigen, in der Computertomographie bereits Veränderungen aufweisen, die einen Verlust der Lungenfunktion in den Folgejahren voraussagen.[2]

Gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen, ist fraglos die beste Option. Dennoch zahle sich ein Rauchstopp immer und in jedem Alter aus, betonte Löffler-Ragg. Daher müssten auch Programme zur Rauchentwöhnung intensiviert und vor allem auch angenommen werden.

Umfassendes Lungengesundheitsvorsorgeprogramm ein „Must“

Aufgrund wissenschaftlicher Daten und Erkenntnisse aus diversen Projekten aus dem In- und Ausland wisse man, wie wichtig und erfolgreich niederschwellige und motivierende Programme zur Verbesserung der Lungengesundheit sind. „Die von ÖGP-Präsident Prof. Bernd Lamprecht fokussierte Lungenkrebsfrüherkennung mit begleitenden Programmen zur Raucherentwöhnung ist von großer Bedeutung und, wie von ihm schon ausgeführt, Impulsgeber für ein umfassendes Lungengesundheitsvorsorgeprogramm, das auch durch weitere Maßnahmen flankiert werden soll. Neben Bewusstseinsbildung, Prävention und Früherkennung sollen auch Maßnahmen der Rehabilitation und das Selbstmanagement der Patient*innen unterstützt und gefördert werden.

ÖGP unterstützt Machbarkeitsstudien als Voraussetzung für Screening

Löffler-Ragg: „Wie vor zwei Wochen am europäischen Lungenkongress der European Respiratory Society, ERS, in Wien gezeigt wurde, haben 20 von 27 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen laufende oder geplante Pilotprojekte zur Einführung eines Lungenkrebsscreenings. Österreich scheint in dieser Liste – noch – nicht auf. Die ÖGP als Fachgesellschaft für Lungenheilkunde will und wird aus den oben genannten Gründen mit Hochdruck Machbarkeitsstudien auf den Weg bringen, um die Voraussetzungen für ein landesweites Lungenkrebsscreening und Lungengesundheitsvorsorgeprogramm zu schaffen.“

Initiativen sind in Innsbruck und Wien in Ausarbeitung. Aber man stehe noch vor einigen Herausforderungen. „Für das Pilot-Projekt Tyrolung Lungencheck, für das ich als Koordinatorin sprechen darf, fehlen noch Lösungen für die sinnvolle digitale Anbindung vom Hausarzt zur CT-Untersuchung. Dieser Schritt ist entscheidend, da die Machbarkeitsstudie national skalierbar sein sollte, der Ablauf für alle Beteiligten einfach und treffsicher und die erhobenen Daten in ein Register eingebracht werden sollten. Des Weiteren gibt es noch Finanzierungsthemen.“

Die Vision ist, Risikopersonen zu einem kostenlosen Lungencheck mit breiten Gesundheitsinformationen einzuladen.

Vernetzte Initiative für internationalen Austausch

„Zur Beschleunigung dieses so notwendigen Wandels in der Pneumologie“, so Löffler-Ragg, „wird die ÖGP eine neue europäische Vernetzung eingehen.“ Am bevorstehenden ÖGP-Kongress wird es eine Launch-Sitzung zur Initiierung der Zusammenarbeit der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie mit der International Respiratory Coalition (IRC) geben, einer von der European Respiratory Society (ERS) unterstützen Initiative. Die in diesem Rahmen gebildete Task Force soll den Austausch von Wissen, Fakten und Methoden auf europaweiter Ebene fördern und für die Umsetzung von Lungengesundheitsthemen lobbyieren.

„Ganz wichtig ist dabei, dass hier erstmalig auch Vertreter*innen österreichischer Selbsthilfeorganisationen aktiv in alle neuen Projektentwicklungen eingebunden werden und ihre Anliegen und Expertise einbringen können.“

Kontakt

Prim.a a.o. Univ.-Prof.in Dr.in Judith Löffler-Ragg

Generalsekretärin der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie
Leiterin Abteilung Pneumologie LKH Hochzirl-Natters
In der Stille 20
6161 Natters

Medizinische Universität Innsbruck / Innere Medizin II
Anichstr. 35
6020 Innsbruck
Tel.: +43 (0)512 504-86744

[1] Healthy Lungs for Life – European Lung Foundation und https://europeanlung.org/en/projects-and-campaigns/healthy-lungs-for-life/

[2] Structural Predictors of Lung Function Decline in Young Smokers with Normal Spirometry
Andrew I. Ritchie 1,2*, Gavin C. Donaldson 1*, Eric A. Hoffman 3,4, James P. Allinson 1,5,Chloe I. Bloom 1, Charlotte E. Bolton 6,7, Gourab Choudhury 8, Sarah E. Gerard 4, Junfeng Guo 3, Luana Alves-Moreira 1, Lorcan McGarvey 9,10, Show All…+ Author Affiliations
3.6276