ÖGP-Awarenesskampagne für seltene Lungenerkrankungen 2025
Die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) fördert aktiv das Erkennen von seltenen und neuen (Lungen-)Erkrankungen in Österreich. In ihrer Awaranesskampagne „RARE BUT THERE“ stellt sie 2025 die Lymphangioleimyomatose (LAM) in den Fokus. Dabei handelt es sich um eine äußerst seltene Lungenerkrankung, die beinahe ausschließlich Frauen trifft. Sie führt zu Entstehung von Zysten in der Lunge und einer Veränderung der Architektur des Lungengewebes. Aufgrund ihrer unspezifischen Symptome wird LAM meist erst spät erkannt bzw. oftmals falsch z.B. als COPD oder Asthma diagnostiziert und dann nicht richtig behandelt. Ihr Verlauf ist in den meisten Fällen chronisch fortschreitend und führt schließlich zu andauerndem, lebensbedrohlichem Sauerstoffmangel. Früh erkannt, kann der Verlauf aber günstig beeinflusst werden.
Anlässlich des Rare Disease Days am 28. Februar erläutert ÖGP-Medienreferent Clin. Ass. Prof. DDr. Klaus Hackner, warum gerade eine so außerordentlich seltene Erkrankung wie die LAM im Zuge der ÖGP-Awarenesskampagene vorgestellt wird: „Wir sprechen hier von einer Krankheit, die so selten ist, dass sie praktisch unsichtbar bleibt. Eine Krankheit, die nur Frauen betrifft, und deren Symptome oft mit anderen, viel verbreiteteren Erkrankungen verwechselt werden. Die ersten Anzeichen einer LAM – Kurzatmigkeit, Atemnot bei körperlicher Belastung, Husten oder Schmerzen im Brustkorb – sind unspezifisch und können eben auch bei vielen anderen Lungen- und Herzerkrankungen auftreten. Gerade bei so besonders seltenen Krankheiten passiert es daher viel zu oft, dass sie nicht erkannt werden und die Patientinnen unnötigerweise jahrelang leiden oder gar versterben. Mit unserer Kampagne wollen wir dazu beitragen, genau das zu verhindern.“
Gefahr liegt in der geringen Verbreitung
Die Lymphangioleimyomatose, kurz LAM, ist eine der seltensten interstitiellen Lungenerkrankungen und wird den zystischen Lungenerkrankungen zugerechnet. Sie betrifft fast ausschließlich Frauen und die Prävalenz liegt bei ca. 5/1.000.000 weiblichen Personen. „Trotz ihrer Seltenheit ist es für Pneumolog*innen wichtig, die LAM zu kennen, da eine Früherkennung den Verlauf günstig beeinflussen kann und es wirksame medikamentöse Therapien gibt. Immer wieder werden jedoch LAM-Patientinnen lange als Asthma- oder COPD-Fälle fehldiagnostiziert“, fasst DDr. Hackner die Problematik zusammen.
Pathogenese
Die Ursachen einer Lymphangioleiomyomatose (LAM) sind noch nicht vollständig geklärt. Teilweise beruht sie offenbar auf einer genetischen Mutation, die zu Umstrukturierungen der Lunge und allmählichem Funktionsverlust derselben führt.
Dr. Hackner: „Bei der LAM kommt es zur Vermehrung und Migration von neoplastisch anmutenden glatten Muskelzellen unklaren Ursprungs, die durch Blut- und Lymphgefäße wandern. Das gesunde Lungengewebe wird dadurch zunehmend zerstört, die Atmung der Betroffenen immer mehr eingeschränkt.“
Da LAM sich in den meisten Fällen vor der Menopause entwickelt, wird vermutet, dass Hormone wie Östrogen und Progesteron die Krankheit mitbeeinflussen. Tatsächlich scheint Östrogen das Wachstum von LAM-Zellen zu fördern.
Hackner: „Lymphangiogenetische Wachstumsfaktoren, Dysregulation des auch therapeutisch relevanten mTOR-pathways und weibliche Geschlechtshormone spielen eine Rolle in der Pathogenese.“
Man unterscheidet zwei Formen:
- Sporadische LAM (S-LAM)
- TSC-LAM: assoziierte mit dem tuberösen Sklerose Komplex (TSC), Mutationen im TSC1/TSC2-Gen
Rare Diseases häufig im Schatten großer Gesundheitsprobleme
Hackner weiter: „Das ist eine der vielen Krankheiten, die im Schatten der großen Gesundheitsprobleme stehen und deren Diagnose oft zu spät kommt. Und das kann fatale Folgen haben. Es ist kein Einzelfall, dass Patienten erst Jahre nach Beginn der Symptome die richtige Diagnose erhalten. Es liegt an uns, die Aufmerksamkeit auf solche seltenen und oft missverstandenen Krankheiten zu lenken.“
Klinisch kommt es zu einem klassischen Komplex verschiedener Organmanifestationen:
- Zystische Lungenerkrankung: Pathognomonisches Zeichen der Krankheit ist: langsam progredienter Anstieg der Anzahl dünn-berandeter Lungenzysten mit diffuser Verteilung im Parenchym. Die Folge ist meist eine obstruktive Ventilationsstörung, die auch teilreversibel sein kann. Später kommt es zur Diffusionsstörung.
- Pneumothorax: tritt bei ca.30% der Patientinnen zumindest einmal im Leben ein, die Rezidivrate ist hoch.
- Pleuraergüsse: zeigen sich in ca. 20%; oft chylös (milchig-trübe Lymphflüssigkeit) durch Beteiligung des Ductus thoracics bzw. dessen Zuflüsse. Zusätzlich ist auch ein chylöser Ascites möglich.
- Renale Angiomyolipome: bei 30% der S-LAM und bis zu 80% bei TSC-LAM tritt so ein gutartiger Nierentumor meist unilateral und asymptomatisch auf.
- Lymphangioleiomyome: in ca. 15%; lymphflüssigkeitsgefüllte Strukturen variabler Größe, die in verschiedenen Körperregionen auftreten können
- Zeichen der tuberösen Sklerose (nur bei TSC-LAM): faciale Angiofibrome, Plaques, retinale Astrocytome (benigner Netzhauttumor)
Diagnostisches Vorgehen
„Zur Diagnose ist zuerst einmal ein Thorax-CT zu erstellen. Zeigt dieses – Blickdiagnose! – das klassische Bild der zystischen Lungenerkrankung, ist der VEGF-D-Spiegel zu bestimmen. Spiegel >800pg/mL gelten bei typischem CT-Bild als diagnostisch für die LAM. Eine Lungenbiopsie wird nur in unklaren Fällen nötig“, erläutert Hackner.
Immer wieder: Fehldiagnose Asthma bronchiale
Oft sind ein Pneumothorax oder Pleuraergüsse der Grund, warum es zur Diagnosestellung kommt. „Treten diese aber nicht auf, kann durch den meist schleichenden Verlauf der LAM und die aufgrund der obstruktiven Ventilationsstörung häufig gestellte Fehldiagnose Asthma bronchiale die Diagnose stark verzögert sein“.
Therapie – kausale Behandlung heute möglich
Eine kausale medikamentöse Therapie ist durch den mTOR-Inhibitor Sirolimus möglich. „Nicht alle Patientinnen benötigen eine Therapie. Wenn die Lungenfunktionsmessung aber einen Wert von FEV1<70% ergibt, sollte eine Therapie ernsthaft in Betracht gezogen werden“, macht Hackner klar.
Aufgrund der Schlüsselrolle des mTOR pathways bei der LAM wurde vor einigen Jahren die Hypothese aufgestellt, dass das eigentlich als Immunsuppressivum nach Transplantationen eingesetzte Medikament Sirolimus (Synonym Rapamycin) in seiner Funktion als mTOR-Inhibitor bei der LAM einen therapeutischen Stellenwert haben könnte. Dies wurde dann erstmals in der MILES-Studie[1] untersucht.
„Der Sirolimusspiegel in der MILES-Studie lag zwischen 5-15ng/mL, wobei in der klinischen Praxis eher der untere Spiegelbereich angestrebt wird. Heute gilt Sirolimus als Therapie der Wahl bei LAM. Sirolimus bessert meist auch chylöse Ergüsse und Angiomyolipome. Wie lange die Therapie eingenommen werden soll, ist noch unklar, angenommen wird aber eine Verlangsamung des Fortschreitens in der Menopause aufgrund der hormonalen Triggerfaktoren“, fasst Hackner zusammen.
Aufgrund der Beteiligung weiblicher Geschlechtshormone sollten Patientinnen mit LAM keine Östrogenpräparate einnehmen, da dies die Krankheit verschlechtern kann. Auch Schwangerschaften führten oftmals zu einem Fortschreiten bzw. Komplikationen der LAM.
Bei rezidivierenden Pneumothoraces oder Pleuraergüssen können chirurgische Maßnahmen nötig werden. Eine fortgeschrittene Lungenbeteiligung kann in einigen Fällen eine Lungentransplantation notwendig machen.
Prognose gut, wenn Symptome frühzeitig und richtig gedeutet
Da die Krankheit meist langsam verläuft, ist die Prognose prinzipiell gut, pleurale bzw. lymphatische Komplikationen können aber im Einzelfall Prognose und Lebensqualität stark einschränken. Ebenso fehlen Daten zu pulmonalen Komplikationen im höheren Alter nach langem Krankheitsverlauf. Eine frühzeitige Diagnose und ggf. Therapie mit Sirolimus in schwereren bzw. fortschreitenden Fällen kann die Prognose wahrscheinlich weiter verbessern.
Hackner abschließend: „Ein zentrales Problem dieser Krankheit sind die immer wieder auftretenden Fehldiagnosen und daraus folgenden falschen Therapieentscheidungen. Als Fachgesellschaft für Pneumologie ist es uns daher ein zentrales Anliegen, diese Fehldiagnosen durch gezielte Information der Ärztinnen und Ärzte zu verhindern und somit zu gewährleisten, dass auch Patientinnen mit LAM optimal behandelt werden.“
Abb. 1 und 2: CT-Bilder einer Patientin mit S-LAM, Diagnosestellung um das 40. Lebensjahr mit schwerer obstruktiver Ventilationsstörung und Diffusionsstörung (FEV1 45%, DLCO 35%, Belastungshypoxämie).
[1] https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1100391
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