Folgen auch für Österreich möglich
Tuberkulose ist die Infektionskrankheit, die weltweit die meisten Todesopfer fordert. Der globale Kampf gegen Tuberkulose steht nun aber vor einem verheerenden Rückschlag: Der von US-Präsident Trump angeordnete Stopp von US-Hilfen für Tuberkulose-Programme gefährdet akut Millionen Menschen, warnt die WHO (Weltgesundheitsorganisation).
Anlässlich des Welt-Tuberkulose-Tags am 24. März informiert die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) über erste Konsequenzen und weist darauf hin, dass es auch in Österreich zu einem Steigen der Fallzahlen kommen kann.
US-Finanzstopp gefährdet Menschenleben
Weltweite Bemühungen zur Bekämpfung von Tuberkulose (TB) haben seit der Jahrtausendwende global mehr als 79 Millionen Menschenleben gerettet. Aktuell sind diese Fortschritte jedoch ernsthaft in Gefahr. Durch die politischen Entwicklungen in den USA ist vielen Hilfsprogrammen die Finanzierung gestrichen worden. Wie kürzlich angekündigt, planen die USA 83% der Programme der Entwicklungshilfebehörde USAID mit sofortiger Wirkung zu beenden.
„Diese Kürzungen werden verheerende Auswirkungen auf die Tuberkulose-Programme haben“, so OA. Dr. Michael Knappik, MPH, stellvertretender Leiter der ÖGP-Expert*innengruppe Infektiologie und Tuberkulose, „insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, da die Vereinigten Staaten dort der größte bilaterale Geldgeber sind.“
Domino-Effekt hat bereits eingesetzt
„Da die Kürzungen so unmittelbar und ohne Vorwarnung durchgeführt wurden, hatten die betroffenen Projekte in den meist von jeher ressourcenschwachen Ländern keine Möglichkeiten, eine alternative Finanzierung zu organisieren. Auch andere Industrienationen haben bereits angekündigt ihre Entwicklungshilfe zu kürzen und nationale Interessen zu priorisieren“, weist Internist, Infektiologe und Tropenmediziner Knappik auf die Dramatik der Situation hin.
Schon Hunderttausende ohne TB-Behandlung
Seit der Ankündigung von US-Präsident Trump und der daraus resultierenden Unsicherheit haben hunderttausende Menschen in Asien und Afrika in den letzten Wochen bereits den Zugang zu Diagnostik und Therapie der Tuberkulose verloren. Von den Kürzungen sind u.a. Medikamentenversorgung, notwendige Reagenzien für Diagnostik, Proben- und Medikamententransport, Gehälter von medizinischem Personal etc. betroffen. Auch Forschungsgelder für die Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe wurden eingefroren.
Massiver Rückschlag für Kampf gegen Tuberkulose
„Es ist zu befürchten, dass hierdurch der globale Kampf gegen Tuberkulose einen schweren Rückschlag erfährt. Wie groß die Auswirkungen sein werden, wird jedoch unmittelbar gar nicht zu ermitteln sein, da auch Surveillance- und Datenerfassungsprogramme von den Kürzungen betroffen sind“, betont Knappik.
Multiresistente Tuberkulose als zusätzliche Folge
Die Kürzungen bei USAID können aber auch noch weitreichendere Folgen haben, so Knappik: „Besonders kritisch ist eine Unterbrechung der Behandlung bei Patient*innen mit multiresistenter Tuberkulose. Denn hier können weitere Resistenzen entstehen und in letzter Konsequenz kann der Erreger nicht mehr therapierbare Mutationen ausbilden.“
Deutlich mehr Todesfälle zu erwarten
„Falls die Tuberkulose-Programme ihre Arbeit nicht zeitnah wieder fortsetzen können, müssen wir mit einem deutlichen Anstieg der globalen Fallzahlen und Todesfälle rechnen“, warnt Knappik. Denn eine rasche Diagnose und effektive Behandlung sind bei der Therapie von Tuberkulose von zentraler Bedeutung. Dies gilt sowohl für die Behandlung von Patient*innen als auch für die Verhinderung der Ansteckung weiterer Personen.
Ein*e Patient*in mit unbehandelter offener Lungentuberkulose infiziert im Durchschnitt 10 bis15 weitere Menschen. Knappik: „Wie man bei der COVID-19 Pandemie gesehen hat, machen Erreger nicht an Landesgrenzen halt, und es ist zu befürchten, dass es hierdurch auch wieder zu ansteigenden Fallzahlen in Industrieländern – und so auch in Österreich – kommen wird.“
Arme Länder stärker betroffen, Konsequenzen aber auch für Österreich möglich
Tuberkulose kommt in allen Ländern und Altersgruppen vor, die überwiegende Mehrheit der Erkrankungen tritt jedoch in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf.
Während die Tuberkulose in den Nachkriegsjahren in Österreich weit verbreitet war, ist der Langzeittrend rückläufig. Jedoch hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass globale Krisen zu einem Anstieg der Fallzahlen auch bei uns führen können. „Ob und inwieweit sich die Situation auf Österreich auswirkt, ist noch nicht abzuschätzen. Aber wir haben hierzulande ein gutes Präventions- und Kontrollprogramm, das beispielsweise beim Auftreten von Tuberkulose sofort eine Umgebungsuntersuchung einleitet“, so Knappik.
Über Tuberkulose
Die Erreger, die Tuberkulose-Bakterien, werden durch Tröpfchen in der Atemluft (Husten, Niesen) übertragen. Meist manifestiert sich die Erkrankung in der Lunge (Lungentuberkulose), doch fast alle Organe können betroffen sein (Organtuberkulose). Der Verlauf kann schwer sein und tödlich enden.
Im Jahr 2023 starben weltweit insgesamt 1,25 Millionen Menschen an Tuberkulose (darunter 161.000 Menschen mit HIV). Tuberkulose ist damit die Infektionskrankheit, die weltweit die meisten Todesopfer fordert.
Ob der menschliche Körper die TB-Infektion abwehren kann oder daran erkrankt, ist von Faktoren wie Ernährungszustand und Immunstatus abhängig. Tuberkulosebakterien können sich aber auch im Körper abkapseln. Sie sind dann inaktiv, breiten sich nicht weiter aus, können aber jahrelang in diesem Zustand überleben; der Träger ist beschwerdefrei, man spricht von einer latenten TB-Infektion. Betroffene zeigen keinerlei Beschwerden. Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist Träger einer latenten Tuberkulose. Erst bei einer Schwächung des Immunsystems kann es, oft erst nach Jahren, zu einer Aktivierung der Erkrankung TB kommen; man spricht dann von aktiver TB-Infektion.
Tuberkulose kann auch ausbrechen, ohne dass Betroffene es merken, denn die Beschwerden sind häufig schleichend und nicht eindeutig: Über Wochen hindurch Husten ohne Auswurf, Gewichtsabnahme (daher der alte Name „Schwindsucht“), Abgeschlagenheit, erhöhte Temperatur und Nachtschweiß sind klassische TB-Symptome.
Tuberkulose – prinzipiell heil- und vermeidbar
Tuberkulose ist heilbar und vermeidbar. In den letzten Jahrzehnten hat es in der Diagnostik und Therapie der Tuberkulose große Fortschritte gegeben und so können mehr als 95% aller Patient*innen geheilt werden. Insbesondere die multiresistente Tuberkulose (MDR-TB) ist durch neuartige Therapieregime inzwischen besser therapierbar. Wichtig für eine erfolgreiche Tuberkulosekontrolle sind allerdings eine rasche Diagnose und effektive Behandlung. Nicht nur für den einzelnen Betroffenen, sondern auch damit die Erkrankung weder weiter übertragen wird noch sich Resistenzen ausbilden können.
Gefährliche Resistenzen – multiresistente Tuberkulose
Bei unzureichender Therapie oder Therapiefehlern kann es zur Entwicklung resistenter Tuberkulosebakterien kommen, die dann nur sehr schwer oder schlimmstenfalls nicht mehr therapierbar sind. Man spricht von Multiresistenter Tuberkulose oder MDR (= Multi Drug-Resistant).
24. März ist Welt-Tuberkulose-Tag
Vor über 130 Jahren, am 24. März 1882, präsentierte Robert Koch vor der Physiologischen Gesellschaft in Berlin seine Entdeckung des Tuberkulose-Erregers, Mycobacterium tuberculosis. Dieser Tag wird traditionell als Welt-Tuberkulose-Tag begangen, um auf die Bedeutung dieser Entdeckung hinzuweisen und auch daran zu erinnern, dass die Erkrankung trotz großer medizinischer Fortschritte noch immer weltweit Tag für Tag rund 4.000 Menschenleben fordert.
Kontakt
OA Dr. Michael Knappik, MPH
Stellvertretender Leiter der Expert*innengruppe für Infektiologie und Tuberkulose, ÖGP
Facharzt für Innere Medizin, Infektiologie und Tropenmedizin
Wiener Gesundheitsverbund
Standort Penzing der Klinik Ottakring
Abteilung für Atemwegs- und Lungenkrankheiten
Pav. Severin
Tel.: +43 (0)1 91060 – 41420 / 41432
E-Mail: michael.knappik@gesundheitsverbund.at
Rückfragen Presse
Urban & Schenk medical media consulting
Barbara Urban: 0664/41 69 4 59, barbara.urban@medical-media-consulting.at
Mag. Harald Schenk: 0664/160 75 99, harald.schenk@medical-media-consulting.at