Es tut sich was in Therapie und Diagnostik der Schlafapnoe. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse führen in der Fachwelt zur Diskussion, ob nicht vermehrt auch andere Parameter als die Zahl der „schnarch-bedingten“ Atemstillstände pro Stunde (AHI-Index[1]) zur Diagnostik einer Schlafapnoe herangezogen werden sollten. Und die als Standard eingesetzte Überdrucktherapie mittels „Schlafmaske“ (PAP) ist neuen Erkenntnissen nach zumindest hinsichtlich der Vermeidung schlafapnoe-bedingter Herz-Kreislauferkrankungen nicht so wirksam wie bisher angenommen. Außerdem wird die Maske von manchen Betroffenen als unangenehm empfunden, sodass sie nicht (ausreichend oft) getragen wird. Es stehen alternative Behandlungsmethoden zur Verfügung – von der Schnarchschiene bis zum implantierten Zungenschrittmacher – die je nach Schlafapnoe-Typ zur Anwendung kommen können. Auch an der Entwicklung einer medikamentösen Therapie der Schlafapnoe wird derzeit intensiv geforscht.

Ziel ist, das „Anforderungsprofil“ der jeweiligen Patient*innen immer besser zu verstehen, um eine möglichst maßgeschneiderte Therapie anbieten zu können.

Anlässlich des bevorstehenden Welt-Schlaftages informiert die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie, ÖGP, über neue Erkenntnisse und Wege zu einem gesunden, erholsamen Schlaf.

Atemaussetzer während des Schlafens

Dass bestimmte Formen des Schnarchens nicht nur das partnerschaftliche Leben, sondern auch die Gesundheit der Betroffenen höchst negativ beeinflussen können, ist hinlänglich bekannt. Denn wenn nächtens nicht nur geräuschvoll „gesägt“ wird, sondern auch Atemstillstände auftreten, spricht man von Schlafapnoe, einer ernstzunehmenden Erkrankung mit Auswirkungen auf Lebensqualität und Gesundheit, da der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.

OA Dr. Sabin Handzhiev, Leiter der ÖGP-Expert*innengruppe Schlafbezogene Atemstörungen: „Schlafapnoe ist der Sammelbegriff für Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Ursachen und Symptomen, bei denen es während des Schlafens zum Auftreten von Atemstörungen kommt. Die häufigste Form ist die obstruktive Schlafapnoe, OSA[2].“

Die Prävalenz beträgt, je nach Untersuchungsquelle, 15 bis 49%, Männer sind häufiger davon betroffen als Frauen. Risikofaktoren für OSA sind weiters Alter, Gesichtsanomalien, Sedativa- und Alkoholkonsum und vor allem Übergewicht. „Eine 10-prozentige Gewichtszunahme erhöht das OSA-Risiko um das Sechsfache“, betont Handzhiev.

Gefährliche nächtliche Ruhestörer

Bei einer OSA kommt es durch die Erschlaffung von Muskulatur und Weichteilen in den oberen Atemwegen während des Schlafs zu einer Verengung oder Blockierung der Atmung. Im Extremfall können diese Atemstillstände bis zu zwei Minuten andauern.

Die Auswirkungen reichen von nicht erholsamem Schlaf über Tagesmüdigkeit, Konzentrationsprobleme bis hin zu erhöhtem Unfallrisiko. Darüber hinaus ist Schlafapnoe auch ein starker Risikofaktor für die Entwicklung von Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt und Schlaganfall und mit Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Krebs verbunden.

„Die Auswirkungen von Schlafapnoe auf Arbeitsfähigkeit und Unfallrisiko gehen mit erheblichen Kosten und Konsequenzen für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft einher,“ betont Dr. Lukasz Antoniewicz, PhD, stellvertretender Leiter der ÖGP-Expert*innengruppe Schlafbezogene Atemstörungen.

Smart Phone & Co als Erst-Diagnostiker?

Um dies zu verhindern, ist der erste Schritt eine möglichst rasche Diagnostik. Waren es früher in erster Linie die Partner*innen, die auf das Auftreten von Atemstillständen aufmerksam machten, können heute hier zunehmend smarte Devices genützt werden.

Antoniewicz: „Fortschritte in der Technologie wie Smartphones, Smartwatches und sogenannte Sleep Tracker ermöglichen es, erste Daten zur Beurteilung der Schlafqualität zu sammeln und auf das mögliche Vorliegen von schlafbezogenen Atemstörungen aufmerksam zu machen.“ Ergibt sich ein Verdacht auf Schlafapnoe, sollte eine ambulante Polygraphie (aPG) erfolgen. Dabei werden Atembewegungen, Sauerstoffsättigung, Atemfluss und Körperlage aufgezeichnet. „Die ambulante Polygraphie kann zu Hause durchgeführt werden. Sie wird von niedergelassenen Lungen- und HNO-Ärzt*innen angeboten und ist von den meisten Krankenkassen abgedeckt“, weiß Lungenfacharzt Antoniewicz. Erhärtet sich der Verdacht auf eine Schlafapnoe, erfolgt die weitere Abklärung im Schlaflabor.

AHI – nicht das „Maß aller Dinge“?

Bei 15 und 30 Atemaussetzern pro Stunde (AHI) spricht man von mittelgradiger OSA, ab einem AHI >30 von schwerer. Ab einem AHI von über 15 wird eine Überdruckbeatmung durch eine PAP[3]-Maske empfohlen und auch von der Krankenkassa bezahlt.

Zunehmend wird diskutiert, auch andere Parameter wie die Zahl der Arousals[4], die Hypoxic Burden[5] oder eine Analyse der Pulswellen zur Diagnostik heranzuziehen.
Handzhiev: „Sehr vereinfacht gesagt, ist die Morbidität umso höher, je mehr Arousals man hat. Die Hypoxic Burden wiederum wäre vor allem bei Frauen vermehrt zu erheben, da gerade sie bei einer längeren Sauerstoffsättigung unter 90% von Herz-Kreislauf-Komplikationen betroffen zu sein scheinen. Und auch die Pulswellen-Analyse[6] kann uns Aufschlüsse über eine Erhöhung des Herz-Kreislaufrisikos geben. Außerdem gibt es Fälle, bei denen eine Überdrucktherapie unter einem AHI von 15 angesagt ist.“

Therapieoptionen bei Schlafapnoe

Maßnahmen wie Gewichtsreduktion, eine Stärkung der Atemmuskulatur durch Sport sowie eine Aufrechterhaltung einer angemessenen Schlafhygiene werden OSA-Patient*innen je nach Ursache der Schlafapnoe und oft begleitend zu anderen Therapien empfohlen. In bestimmten Fällen können operative Eingriffe, wie beispielsweise eine Kürzung des Gaumensegels oder eine Begradigung der Nasenscheidewand, angezeigt sein.

Überdruckbeatmung mittels Schlafmaske. Am häufigsten wird die Schlafapnoe mit einer Überdrucktherapie (Positive Airway Pressure, PAP) behandelt, die somit die Standardtherapie darstellt. Dabei wird während des Schlafens eine spezielle Atemmaske getragen. Sie erzeugt einen Überdruck, der die Atemwege offenhält. Viele Patient*innen berichten nach dem Start der Therapie über eine deutliche Verbesserung der Tagesmüdigkeit. Einige empfinden die Maske jedoch als unangenehm und tragen sie zu selten oder gar nicht. Doch nicht nur diese oft geringe Compliance hat in letzter Zeit zu einem Umdenken geführt.

Handzhiev: „Die Überdrucktherapie stellt die Standardbehandlung zur Bekämpfung von Tagesmüdigkeit dar. Hier stehen ihre Wirksamkeit und Effektivität außer Frage. Jedoch haben mehrere große randomisierte Studien der letzten Jahre überraschenderweise keine markante Reduktion des kardiovaskulären Risikos mit dieser Therapieform nachweisen können. Angesichts dieser Erkenntnisse erhalten nun vor allem jene Patient*innen die Überdrucktherapie, die unruhig schlafen, unter großer Tagesmüdigkeit leiden und/oder bereits Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, Herzinsuffizienz, Schlaganfall etc. haben.“

Zungenschrittmacher. Für bestimmte Patient*innen, die die PAP-Therapie nicht tolerieren, kann ein sogenannter Zungenschrittmacher in Betracht gezogen werden, eine wirksame und innovative Behandlungsmethode. Allerdings bedarf diese Therapie eines invasiven Eingriffes, da der Schrittmacher implantiert werden muss. Der Zungenschrittmacher ist noch keine standardmäßige Therapie, wird erst in wenigen Zentren in Österreich angeboten und von den Krankenkassen nicht bezahlt.

Schnarchschiene. Handzhiev: „Schnarchen und damit verbundene leichtere schlafbezogenen Atemstörungen können auch mittels einer sogenannten Protrussions- oder Schnarchschiene gelindert werden, die wie eine herausnehmbare Zahnspange getragen wird. Sie schiebt den Unterkiefer und zieht Zungenmuskel und Unterkiefergewebe nach vorne, wodurch die Atemwege besser offengehalten werden und die Zahl der Atemstörungen sinkt.“ Die Schnarchschiene sollte von einem spezialisierten Zahnarzt angefertigt werden. Die Kosten dafür werden von den Krankenkassen allerdings nicht erstattet.

Tabletten gegen Schlafapnoe

„Die medikamentöse Therapie soll vor allem bei Patient*innen, die trotz anderer Therapien an anhaltender exzessiver Tagesschläfrigkeit leiden, erwogen werden. In dieser Indikation stehen uns bereits Medikamente zur Verfügung, die jedoch von den Krankenkassen in Österreich noch nicht erstattet werden“, so Handzhiev.

Es gibt aber noch verschiedene Mechanismen, an denen mittels pharmakologischer Therapie angegriffen werden kann, wie z.B. eine Verbesserung der Reaktivität der Rachenmuskulatur oder eine Senkung der Arousalschwelle.

„Aktuell werden verschiedene medikamentöse Ansätze in laufenden Studien für die Behandlung von OSA überprüft. Die publizierten Daten geben Hoffnung auf eine baldige Zulassung“, so Handzhiev.

Personalisierte Therapie gegen Schlafapnoe

Die Behandlung von Schlafapnoe muss individuell erfolgen und darauf abzielen, die spezifischen Bedürfnisse der Patient*innen zu berücksichtigen. Ziel ist, das „Anforderungsprofil“ der jeweiligen Patient*innen immer besser zu verstehen, um eine möglichst maßgeschneiderte Therapie anbieten zu können.

Handzhiev abschließend: „Es ist aber auch dringend erforderlich, das Bewusstsein für die gesundheitlichen Risken einer Schlafapnoe auch in der breiten Öffentlichkeit zu schärfen und Ressourcen für verbesserte Diagnostik und Behandlung bereitzustellen. Nur so können wir Lebensqualität und Gesundheit der Betroffenen verbessern und die sozialen und wirtschaftlichen Belastungen minimieren.“

[1] AHI – Apnoe-Hypopnoe-Index

[2] obstruktive Schlafapnoe – OSA oder OSAS für Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom

[3] PAP steht für „positive airway pressure” – Atemwegsüberdruck (cpap = continous prositive airway pressure)

[4] Arousal: „Weckreaktion“ – aufgrund des Sauerstoffmangels wird das zentrale Nervensystems aktiviert, der Sympathikus-Tonus wird erhöht, es kommt zu einer Aufwachreaktion, um Luft zu holen. Arousals führen zu einer Erhöhung des Blutdruckes, oxidativem Stress (verursacht Schädigung der Zellen) sowie Blutverdickung (Hypercoagulation) und Entzündungen in den Gefäßen (Arteriosklerose). All dies kann bekannterweise zu Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems bis hin zum Herzinfarkt führen.

[5] Hypoxic Burden – vereinfacht: Sauerstoffsättigung während des Schlafes

[6] PWAD-Index

Kontakt

OA Dr. Sabin Handzhiev

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Universitätsklinikum Krems
Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
Tel.: +43 2732 9004 22920
E-Mail: sabin.handzhiev@krems.lknoe.at

OA Dr. Lukasz Antoniewicz, PhD
Abteilung für Pulmologie
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Medizinische Universität Wien
Tel: +43 40400 47760
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